Juristischer Beitrag

Verfasser:
Alexander Sternbeck, Rechtsanwalt bei LKC Grünwald

Der BGH entschied am 26. Juni 2025 (Az. V ZB 48/24), dass eine Grundschuld auch zugunsten einer Person eingetragen werden kann, die noch nicht geboren ist. Damit stärkt das Gericht die Rechte zukünftiger Generationen im Erbrecht.

 

Streitfall:

Es ging um eine Eigentümerin, die 1960 geboren wurde und von ihrer Mutter als Vorerbin eingesetzt war. Ihre zukünftigen Kinder waren als Nacherben bestimmt, ihre Geschwister ersatzweise. Zum Zeitpunkt des Verfahrens war die Vorerbin kinderlos. 2006 ließ sie auf einem eigenen Grundstück eine Grundschuld über 187.000 € eintragen, wobei die Gläubiger ihre potenziellen Kinder (die Nacherben) waren. Dies geschah, um eine gerichtliche Auflage zu erfüllen, nachdem ein Nachlassgrundstück verkauft wurde. Später wollte die Vorerbin die Grundschuld löschen lassen. Sie versicherte, keine Kinder zu haben, und legte die Zustimmung ihrer Geschwister vor. Das Grundbuchamt und das Oberlandesgericht Köln lehnten die Löschung jedoch ab, da sie forderten, dass ein Pfleger für die noch ungezeugten, zukünftigen Nacherben bestellt werden müsse. Die Vorerbin legte daraufhin Rechtsbeschwerde beim BGH ein.

 

Rechtsfrage:

Die Frage war, ob eine Eintragung im Grundbuch zugunsten einer noch nicht existierenden und noch nicht gezeugten Person (nondum conceptus) zulässig ist. Nach § 1 BGB beginnt die Rechtsfähigkeit erst mit der Geburt. Daher kann eine noch nicht gezeugte Person keine Rechte haben. Die Antragstellerin meinte, die Eintragung sei unzulässig und müsse von Amts wegen gelöscht werden (§ 53 Abs. 1 S. 2 GBO).

 

Urteil:

Der BGH wies die Rechtsbeschwerde zurück und bestätigte die Wirksamkeit der Grundbucheintragung. Die Entscheidung basiert auf folgenden Punkten:

  • Gesetzlicher Wille zur Absicherung:
    Obwohl das BGB keine Regelung für den Rechtserwerb eines nondum conceptus enthält, erkennen Vorschriften wie § 2101 und § 2178 BGB an, dass auch noch nicht gezeugte Personen berücksichtigt werden können. Diese erhalten eine aufschiebend bedingte Rechtsposition.
  • Sicherungsmittel:
    Der Gesetzgeber will, dass solche zukünftigen Rechte auch gesichert werden können. Daher ist die Eintragung einer Grundschuld zur Sicherung dieser Ansprüche zulässig, etwa um Rechte des noch nicht gezeugten Nacherben zu schützen.
  • Keine Einigung erforderlich:
    Für den nondum conceptus können Willenserklärungen durch einen Pfleger (§ 1882 BGB) abgegeben werden, sodass eine dingliche Einigung möglich ist.
  • Keine Löschung ohne Zustimmung:
    Die Eintragung darf nur mit Zustimmung aller Berechtigten gelöscht werden. Da potenzielle Kinder noch nicht existieren, ist die Mitwirkung eines Pflegers notwendig, die hier fehlte.
  • Adoption:
    Der BGH konnte nicht feststellen, dass die Antragstellerin keine Kinder mehr bekommen kann. Auch eine Adoption ist möglich, weshalb der Begriff „Kinder“ im Grundbuch auch angenommene Kinder umfasst, solange keine Einschränkung besteht.

 

Fazit:

Der BGH entschied zugunsten ungezeugter Nachkommen, dass die Absicherung ihrer Rechte durch eine Grundschuld wirksam ist. Dies schützt zwar den Erblasserwillen für künftige Generationen, birgt aber auch das Risiko einer kaum rückgängig zu machenden Belastung für den Vorerben. Eine Löschung ist ohne Zustimmung eines gerichtlich bestellten Pflegers nicht möglich, die u.U. von ihm wegen Interessenwahrung des vertretenen nondum conceptus nicht erteilt wird.

 

Ihr Kontakt

Alexander Sternbeck

 

Beitrag vom 01.09.2025