Juristischer Beitrag
Verfasser:
Alexander Sternbeck, Rechtsanwalt bei LKC Grünwald
Der BGH hat am 26. März 2025 (Az.: IV ZB 15/24, veröffentlicht am 07.05.2025) entschieden, wann ein handschriftliches Testament an der Bindungswirkung eines älteren Erbvertrags scheitert und wie eine nicht ausdrücklich geregelte Ersatzerbfolge zu bestimmen ist. Dabei zeigt die Entscheidung, dass ein Erbvertrag eine stärkere Bindung schafft als ein gemeinschaftliches Testament.
Streitfall:
Ein notarieller Erbvertrag vom 12. März 1994 regelte, dass die Eheleute sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und den gemeinsamen Sohn zum Schlusserben bestimmen. Die Töchter verzichteten auf Erb- und Pflichtteile in der selben notariellen Urkunde. Der Sohn starb 2022 vor der noch lebenden Mutter, ohne eine Ersatzregelung in der Urkunde. Die Erblasserin hinterließ einen handschriftlichen Zettel, in dem sie ihre älteste Tochter zur Alleinerbin bestimmte. Die beiden Enkel des vorverstorbenen Sohnes beantragten einen Erbschein, der sie je zur Hälfte als Erben auswies. Das Amtsgericht und das Oberlandesgericht hielten das „Zettel-Testament“ vom 1. September 2022 zunächst für maßgeblich, der Bundesgerichtshof hob diese Entscheidung auf.
Entscheidung:
- Bindungswirkung des Erbvertrags
Der BGH stellte klar, dass der Erbvertrag vom 12. März 1994 eine vertragsmäßige Verfügung ist (§ 2278 BGB), die die Erblasser bindet. Diese Bindung ist, wie der BGH explizit darlegt, stärker als bei gemeinschaftlichen Testamenten und geht über die von wechselbezüglichen Verfügungen bei Testamenten hinaus, da sie sich bereits aus der Vertragsnatur selbst ergibt und nur bei ausdrücklichem Rücktrittsvorbehalt aufgehoben werden kann. - Ersatzerbeneinsetzung
Da der Vertrag keine ausdrückliche Ersatzerbeinsetzung für den Fall des Vorversterbens des Schlusserben enthielt, kann diese Lücke durch ergänzende Auslegung (§§ 133, 2084 BGB) geschlossen werden. Die Eheleute hatten den Fall des Vorversterbens des Sohnes offensichtlich nicht bedacht, was auf eine planwidrige Unvollständigkeit hindeutet. Aufgrund der umfassenden Gestaltung durch den Erbvertrag sollte eine abschließende Regelung getroffen werden. Ein Verweis auf die gesetzliche Erbfolge (§ 1924 Abs. 1 BGB) der Töchter oder die Auslegungsregel des § 2069 BGB wäre im Widerspruch zu diesem Ziel gestanden.
Daraus ergibt sich, dass die Enkel als Abkömmlinge des ursprünglichen Schlusserben dessen Stelle einnehmen sollten, um das Vermögen in der Familie zu halten, wie das Gericht den hypothetischen Willen der Eheleute ergänzend auslegte.
Der Vertrag enthielt auch keinen ausdrücklichen Änderungsvorbehalt, der eine nachträgliche Änderung erlauben würde. Damit ist die Bindung an den Vertrag grundsätzlich dauerhaft.
- Verhältnis derartiger Regelungen in Erbverträgen und Testamenten
2270 BGB, der den Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen bei gemeinschaftlichen Testamenten vorsieht, gilt nicht für Erbverträge, die grundsätzlich für den längerlebenden Erblasser verbindliche sind (§ 2290 ABs. 1 S. 2 BGB). - Zusammenfassung
Das „Zettel-Testament“, das eine Tochter als Alleinerbin einsetzte, ist unwirksam, da es im Widerspruch zum Erbvertrag steht. Der BGH hob daher die Entscheidung des Beschwerdegerichts auf und bestätigt die Erbenstellung der Enkel.
Praxis:
Der Beschluss zeigt, wie wichtig klare und umfassende Regelungen im Erbvertrag sind, insbesondere bei der Einsetzung von Schlusserben. Nicht ausdrücklich geregelte Fälle können zwar durch ergänzende Auslegung geklärt werden, Erblasser sollten aber besser ihre Verträge regelmäßig prüfen und an veränderte Familienverhältnisse anpassen, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
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