Juristischer Beitrag

Verfasser:
Dr. Raphael Wager, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht bei LKC Grünwald
Dr. Stephan Salzmann, Partner, Rechtsanwalt und Steuerberater bei LKC Grünwald

Das am 1. November 2024 in Kraft getretene Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) ermöglicht es jeder volljährigen Person, ihren Geschlechtseintrag durch eine einfache Erklärung beim Standesamt zu ändern – ohne medizinische Gutachten oder weitere Voraussetzungen. Was viele nicht wissen: Diese Änderung kann erhebliche steuerliche Auswirkungen haben, insbesondere bei der Berechnung von Nießbrauchswerten und Leibrenten.

Warum ist das für Ihre Steuerplanung wichtig?

In Deutschland werden bestimmte steuerliche Werte auf Grundlage sogenannter geschlechtsspezifischer Sterbetafeln berechnet. Diese Tabellen berücksichtigen die unterschiedliche statistische Lebenserwartung von Männern und Frauen. Frauen haben dabei eine höhere Lebenserwartung als Männer. Der Bundesfinanzhof hat kürzlich entschieden, dass diese geschlechtsspezifische Berechnungsmethode verfassungskonform ist.

Das SBGG legt fest, dass der im Personenstandsregister eingetragene Geschlechtseintrag für den gesamten Rechtsverkehr maßgeblich ist – auch für steuerliche Zwecke. Dies eröffnet interessante Gestaltungsmöglichkeiten.

Konkrete Auswirkungen anhand eines Beispiels

Ein 61-jähriger Vater möchte sein Einfamilienhaus im Wert von 2,5 Millionen Euro auf seine Tochter übertragen und behält sich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vor. Unter Zugrundelegung der unterschiedlichen Vervielfältiger für Männer und Frauen ergeben sich bei der Berechnung des Kapitalwerts des Nießbrauchsrechts folgende Werte:

  • Als Mann: Ergibt sich ein Kapitalwert von etwa 673.000 Euro
  • Als Frau: Ergibt sich ein Kapitalwert von etwa 732.000 Euro

Der Unterschied von rund 59.000 Euro wirkt sich direkt auf die Schenkungsteuer aus. Bei einem Steuersatz von 19% würde das eine Steuerersparnis von über 11.000 Euro bedeuten.

Was bedeutet das für Ihre Nachlass- und Steuerplanung?

Die voraussetzungslose Änderung des Geschlechtseintrags aufgrund der neuen Rechtslage nach  dem SBGG kann vor einer Schenkung oder Veräußerung gegen Leibrente zu steuerlichen Vorteilen führen. Wichtig ist dabei, die Dreimonatsfrist zwischen Anmeldung der Änderung und deren Wirksamwerden zu beachten.

Die gute Nachricht: Die Finanzverwaltung kann eine solche Geschlechtseintragsänderung nicht als steuerlichen Gestaltungsmissbrauch einstufen. Dies würde zu einer unzulässigen Begründungspflicht hinsichtlich der persönlichen Geschlechtsidentität führen und dem Grundgedanken des SBGG widersprechen.

Was ist noch zu beachten?

Das SBGG sieht eine Sperrfrist von einem Jahr vor, bevor eine erneute Änderung des Geschlechtseintrags möglich ist. Dies muss bei der langfristigen Planung berücksichtigt werden.

Nach aktuellem Stand bleiben bereits ergangene Steuerbescheide von einer späteren Änderung des Geschlechtseintrags unberührt – es gibt keine rückwirkende Anpassung.

Unser Beratungsangebot

Die Wechselwirkungen zwischen dem SBGG und dem Steuerrecht bieten neue Gestaltungschancen, werfen aber auch komplexe rechtliche Fragen auf. Als spezialisierte Kanzlei begleiten wir Sie gerne bei:

  • Der Analyse Ihrer individuellen steuerlichen Situation
  • Der optimalen Gestaltung von Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt
  • Der steueroptimalen Planung von Betriebsveräußerungen gegen Leibrente
  • Der umsichtigen Koordination von Geschlechtseintrag und steuerrelevanten Transaktionen

Vereinbaren Sie jetzt ein persönliches Beratungsgespräch, um Ihre steuerlichen Möglichkeiten optimal zu nutzen.

 

Lesen Sie ergänzend hierzu:

Bundesfinanzhof: Nießbrauchsbewertung auf Grundlage des Geschlechts – verfassungskonform jedenfalls nach alter Rechtslage

 

 

 

Beitrag vom 13.08.2025